Die Stadt Medebach hat kürzlich in einer feierlichen Zeremonie weitere Stolpersteine verlegt, um an die Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Die Gedenksteine, die vor den ehemaligen Wohnhäusern der Verfolgten, Deportierten und Ermordeten eingelassen wurden, tragen deren Namen und Lebensdaten – ein stilles, aber eindrucksvolles Mahnmal gegen das Vergessen.
Das Projekt „Stolpersteine“ des Künstlers Gunter Demnig ehrt alle Opfer des Nationalsozialismus und markiert deren letzte frei gewählte Wohnorte. Bereits vor anderthalb Jahren hatte Demnig in Medebach 14 Stolpersteine in der Kapellenstraße verlegt, vor den Häusern der jüdischen Familien Stern, Stahl und Meyerhoff. Doch zu dieser Zeit lebten in Medebach noch weitere jüdische Familien: Für die Familien Schafti Frankenthal, Carl Meyerhoff und Alex Stessmann wurden nun ebenfalls Gedenksteine verlegt.
Alle Familien waren damals in Handel und Gewerbe tätig und waren gut in die Gemeinschaft integriert. Sie sprachen Plattdeutsch und trugen ihre bekannten Hausnamen wie Itziges oder Eisakes. Viele waren Mitglieder im Schützen- und Kriegerverein und trafen sich regelmäßig in den örtlichen Kneipen. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten änderte sich dieses harmonische Verhältnis jedoch schlagartig. Juden wurden ohne offizielle Beschlüsse aus Vereinen ausgeschlossen, und bereits im April 1933 wurde zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen, begleitet von Einschüchterungen gegenüber ihren Kunden. Ab 1937 kam es zu Angriffen auf jüdische Geschäfte und nach der Pogromnacht wurden die Synagoge sowie jüdische Läden zerstört. Den verbliebenen jüdischen Einwohnern wurde indirekt nahegelegt Medebach zu verlassen, was sie bis zum 21. September 1939 auch taten. Einige von ihnen verloren in der darauffolgenden Zeit ihr Leben, andere mussten ihr gewohntes Umfeld aufgeben, um in der Ferne ein neues Leben zu beginnen.
Nach den Ereignissen der Pogromnacht flohen im Jahr 1939 Erich, Max, Rosi und Marion Ruth Stessmann aus der Niederstraße 30. Nachdem Max und Erich unschuldig verhaftet worden waren und ihr Geschäft während der Pogromnacht zerstört wurde, suchten sie Schutz in den USA. Alex Stessmann wurde als letzter Angehöriger der Familie auf dem jüdischen Friedhof in Medebach beigesetzt, während seine Witwe Emma im Konzentrationslager Theresienstadt ermordet wurde. Kurz vor der Pogromnacht gelang es der Familie Frankenthal aus der Niederstraße 20 nach Uruguay zu fliehen. Zusammen mit der später geflohenen Familie Meyerhoff aus der Kapellenstraße gründete die Familie Frankenthal in Uruguay eine Metzgerei.
Der dritte Ort, an dem Stolpersteine verlegt wurden, befindet sich am Haus der Familie Carl Meyerhoff. Der Name Meyerhoff war in Medebach weit verbreitet. Als Carl Meyerhoff im Jahr 1937 verstarb, wagten nur wenige Nachbarn den Besuch seiner Beerdigung. Nach der Pogromnacht, bei der das Geschäft das erste Ziel der Angriffe wurde, verkaufte seine Witwe Else das Haus in der Oberstraße 41. Später wurden sie selbst sowie ihre Töchter Anne-Lise, Ruth und Inge von den Nationalsozialisten ermordet. Das unvollständige Doppelgrabmal von Carl Meyerhoff auf dem jüdischen Friedhof in Medebach bleibt bis heute ein trauriges Erinnerungszeichen.
Vor der Verlegung der 16 Stolpersteine für die betroffenen Familien fand im Medebacher Rathaus eine bewegende Zeremonie statt, bei der Roberto Frankenthal als Ehrengast begrüßt wurde. Der 61-jährige Nachfahre der Familie Frankenthal, der in Buenos Aires geboren wurde, war eigens aus Spanien angereist, um an diesem besonderen Anlass teilzunehmen. In seiner emotionalen Rede fand er treffende Worte, die die Anwesenden tief berührten.
Auch Bürgermeister Thomas Grosche, Horst Frese als Leiter der Arbeitsgemeinschaft der Medebacher Heimat- und Geschichtsvereine, Geschichtslehrer Edgar Lonk sowie seine Schüler der Sekundarschule Medebach trugen mit ihren persönlichen Beiträgen dazu bei, eine ganz besondere Atmosphäre zu schaffen. Roberto Frankenthal schilderte: „Alle meine Vorfahren sind in Uruguay begraben. Dennoch empfinde ich die Bedeutung dieser Stolpersteine als viel wichtiger. Ihre Gräber befinden sich zwar in einem Land, das sie in ihrer Not aufgenommen hat, wofür ich sehr dankbar bin. Doch ihr eigentlicher Platz war hier in Medebach. Hier hätten sie leben wollen, wenn sie nicht aufgrund ihres Glaubens vertrieben worden wären. Diese Steine sollen an das Leben und Wirken der Familie Frankenthal erinnern und sind zugleich ein Zeichen gegen Gewalt, Verfolgung und Diskriminierung.“
Die passende musikalische Umrahmung übernahmen Karen Herzog-Frese, Kerstin Engel und Matthias Gellrich.
Der Abschluss der Veranstaltung im städtischen Museum wurde von Kerstin Neumann-Schnurbus und Ralf Köster vom Medebacher Heimat- und Geschichtsverein durchgeführt, die neben Horst Frese an der Planung und Organisation der Veranstaltung federführend beteiligt waren.
Während der Verlegung der Gedenksteine vor dem Haus, in dem sein Großvater geboren wurde, berichtete Roberto Frankenthal auf eindrucksvolle und emotionale Weise von seiner Großtante Meta und seinem Onkel Rolf. Mit einer Mischung aus persönlicher Erinnerung und humorvollen Anekdoten schuf er eine Andacht, in der man hätte eine Nadel fallen hören können. Für alle Anwesenden war die Veranstaltung mit den Stolpersteinen ein zutiefst bewegendes Erlebnis, wobei die Begegnung mit Roberto Frankenthal besonders in Erinnerung bleibt.
Bürgermeister Thomas Grosche betonte: „Ich stehe noch immer unter dem Eindruck dieser besonderen Veranstaltung und glaube, dass wir damit ein wichtiges Zeichen gegen das Vergessen und für unsere Demokratie gesetzt haben. Ich danke allen Beteiligten herzlich für ihr Mitwirken.“